Besetzung: 2 Fl (2.+Picc) 2 Ob (2.+Ob da caccia) Fg 2 Hr Cemb (Laute ad lib.) Streicher 4-4-2-2-1
Verlag: Schott Music
Dauer: ca. 14 Minuten
UA: 27.8.2005, Lucerne Festival, Freiburger Barockorchester
Weitere Aufführungen:
3.09.2005, Erlangen (Deutsche EA)
5.09.2005, Berlin (Philharmonie)
16.10.2005, Dortmund (Konzerthaus)
18.11.2005, Huddersfield (Britische EA)
Rundfunksendungen:
RBB 14.9.2005, NDR 5.10.2005 (Ausschnitt), YLE Finnland Mai 2006, NRK Norwegen 18.3.2007,
ORF 5.4.2007, WDR 18.10.2008 (Ausschnitt), RBB 6.10.2010, YLE Finnland 6.9.2011
Auftragswerk des Siemens Arts Program und des Freiburger Barockorchesters (FBO) im Rahmen des Projekts ABOUT BAROQUE – Eine Initiative des Siemens Arts Program in Kooperation mit dem Freiburger Barockorchester und dem Lucerne Festival
CD: Harmonia Mundi France („about baroque“)
Werkeinführung:
Der flekkichte Oktober
hat alles bundt vermahlt /
mit Oepffeln auß Zinober
die reiffe Ceres brahlt.
Sylvan füllt seine Schläuche /
Mercur mängt Pflaumen-Brey /
schon schallt durch Pusch und Sträuche
Dianens Jagd-Geschrey
Arno Holz, aus: Dafnis (1904)
flekkicht ist ein im ursprünglichen Sinn des Wortes barockes Stück: vielgestaltig, bisweilen pathetisch, verschnörkelt, manchmal skurril, schwankend zwischen sinnlicher Kraft und Verzagtheit.
Damit reflektiert die Partitur auch die komplexen, teils unsystematischen und jedenfalls äußerst vielschichtigen Überlegungen, die mich bei der Vorarbeit und Ausführung dieses Projekts für ein barockes Orchester begleiteten. Von Anfang an war mir klar, daß es nicht damit getan sein könnte, meine derzeitige kompositorische Sprache und Technik schlicht auf das „historische“ Instrumentarium zu übertragen. Die Problematik beginnt schon bei Koordinationsfragen: kaum ein zeitgenössischer Komponist würde wohl ein Stück für ein gut zwanzigköpfiges Ensemble ohne Dirigenten konzipieren. Die Möglichkeiten der Instrumente sind andere – teils eingeschränkt, teils erweitert –, viele Standards zeitgenössischer Klangerzeugung lassen sich darauf nicht oder nur in modifizierter Form realisieren. Vor allem aber handelt es sich um ein Instrumentarium, das für und mit ganz anderer Musik entwickelt wurde, und – noch viel wichtiger – es handelt sich um Musiker, die ganz (?) anders mit dem Notentext umzugehen gewohnt sind als konventionelle Orchestermusiker und auch als Instrumentalisten in Ensembles für zeitgenössische Musik.
Der kompositorische Prozeß war also überlagert vom ständigen Gedanken an die heutige interpretatorische Praxis bei der Aufführung von Musik des 17. und 18. Jahrhunderts: das Erschließen von Artikulation, Dynamik und Klangfarbe aufgrund weniger und oft widersprüchlicher Anhaltspunkte; die Fähigkeit und auch Notwendigkeit, den Notentext zu ergänzen, zu variieren, weiterzudenken; der Mut und die Herausforderung, sich auf gewagte, heutige Interpretationen einzulassen und dabei trotzdem so „historisch“ zu empfinden, wie es nach Maßgabe des Wissens über die Ästhetik und Aufführungspraxis barocker Musik möglich ist.
flekkicht verlangt von den Musikern ein entsprechend aktives, eingreifendes Umgehen mit der Partitur. Gerade Anweisungen zu den „sekundären“ Parametern wie Dynamik, Artikulation und Klangfarbe, die in zeitgenössischer Musik oft extrem differenziert ausnotiert sind, fehlen weitgehend. Praktiken älterer Musik – wie der streckenweise Einsatz der Baßinstrumente als Continuogruppe mit einer gemeinsamen Stimme – und Freiheiten in der Ausführung etwa von Punktierungen, Ornamenten etc. durchziehen das gesamte Stück.
Zugleich ist der dramaturgische Ablauf weit stärker durch Reihung als durch Entwicklung geprägt. Wenngleich es zu weit gehen würde, flekkicht als „Suite“ zu bezeichnen, kann man sogar Rudimente von rhythmischen Modellen finden, die an barocke Tanzsätze erinnern.
Das Stück beginnt mit einem Cembalosolo, das die Faszination frei notierter Cembalomusik des 17. Jahrhunderts aufgreift und auch auf das Orchester überträgt, dessen sparsame Einsätze jeweils einzelne Töne des Cembalos „verlängern“. In diese intime Situation fährt ein ruppiger Abschnitt von schlichter Natur, der sich jedoch bald in intrikate Überlagerungen auflöst. Das folgende, zentrale Stück mit Solo-Oboe und –Violine ist erneut sehr viel freier notiert und trägt den manieristischen Titel „La Sarabande enterrée“. Aus den klein besetzten Soloabschnitten dieses Teils geht ein kammermusikalisches Intermezzo hervor. Der umfangreiche Schlußabschnitt, der ungeniert deutlich eine französische Ouvertüre nachbildet, kehrt zu stark motorischen Texturen zurück, die sich jedoch gleichsam schlechten Gewissens verflüchtigen und in einen fein verstummenden Ausklang übergehen.