Aufführungsdauer: ca. 8′
UA:12.11.1997, Dresden
Weitere Aufführungen:
13.11.1998, Helsinki (Finnische EA)
Werkeinführung:
Tractus: in der ursprünglichen lateinischen Bedeutung die Bezeichnung für eine gleichmäßige, ununterbrochene Bewegung. Der Komposition liegt eine durchlaufende Struktur zugrunde, die aus den in dreizehn Schichten übereinandergelagerten Primzahlen zwischen 5 und 47 besteht. Diese Struktur erklingt allerdings nie als vollständige Periode – eine komplette Periode bis zum gleichzeitigen Zusammenklingen
der Ebenen als dem kleinsten gemeinsamen Vielfachen dieser Zahlen würde bei 240 Impulsen pro Minute immerhin 7.319 Jahre dauern… Stattdessen werden in den verschiedenen Ebenen (mit unterschiedlicher Klangfarbe und Position im Panorama) Binnenperioden hörbar gemacht: der jeweils erste Schnittpunkt von zwei, drei oder vier Schichten wurde zunächst als akzentuierter Punkt, später als nachklingender Akkord hervorgehoben. Auch die Anfangs- und Endpunkte von Veränderungen der Parameter Lautstärke, Ambitus, Tempo und mikrotonale Verstimmung sind an diesen Schnittpunkten orientiert, und, vor allem, die Einteilung in formale Abschnitte und deren Entwicklungsprozesse. So ist der erste Großabschnitt – trotz der schnellen
Repetitionen – statisch, von zunehmender Massivität auf engstem Tonraum, während in den folgenden, jeweils kürzeren Teilen zunächst der Tonraum erweitert wurde und schließlich die Entwicklung umschlägt und die (ganz zu Anfang schon einmal kurz angedeuteten) ruhigen Liegeklänge den Charakter des Stückes prägen. So scheint sich das Stück dramaturgisch zu runden, obwohl es sich lediglich um einen mikroskopisch kleiner Ausschnitt aus einem unvorstellbar langen Zeitablauf handelt. Doch ist das im ganzen keinesfalls esoterisch gemeint – im Gegenteil: Tractus entstand gezielt als Versuch, ein Tonbandstück zu schreiben, das sich deutlich von den flächigen, klanglich allzu glatten ästhetischen Konzeptionen vieler elektronischer Kompositionen abhebt. Zugleich mag man den Titel als kleine Reminiszenz an Bernd Alois Zimmermanns einziges Bandstück Tratto sehen, das sich seinerseits deutlich quer zur Ästhetik der elektronischen Musik seiner Entstehungszeit stellt.
Die Ausgangsklänge wurden mit der einfachen additiven Synthesesoftware Softsynth erstellt und mit Sound Designer und Turbosynth nachbearbeitet. Das Stück wurde danach komplett mit dem im Studio für elektronische Musik der HfM Dresden entwickelten Programm GraphicComposer komponiert.