für Anne-Maria und Florian Hoelscher
The past is a kind of future that has already happened. (Bruce Sterling)
Der Begriff „Steampunk“ beschreibt ein künstlerisches Genre und eine daraus entwickelte Subkultur, die sich aus der Faszination mechanischer Technik und viktorianischer Ästhetik speist und daraus Elemente einer alternativen (nicht-elektronischen) Science-Fiction, eine Art Retro-Zukunft ableitet. Steampunk ist damit, neben vielem anderen, ästhetisierte Kritik an der Allgegenwärtigkeit elektronischer Medien und dem damit verbundenen Vernetzungszwang und der Kontrolle durch die dahinter stehenden Systeme.
Es dürfte kaum zwei Instrumente geben, die so gut zu dem Begriff und der damit verbundenen Geisteshaltung passen wie Akkordeon und Klavier. Die beiden Instrumente sind unglaublich komplexe, wunderbar altmodische Maschinen, Meisterstücke des Handwerks und der Feinmechanik. Sie tragen damit wie auch in ihrer äußeren Gestalt den Esprit einer Zeit in sich, da man sich vorstellte, wie Menschen im Dreiteiler und Krawatte mit gußeisernen, kupferbeschlagenen Maschinen zum Mond fliegen würden.
Steampunk will den Geist dieser Haltung in Klang umsetzen. Die Mechanik der Klangerzeugungsweisen beider Instrumente wird auskomponiert, wobei einander das „atmende“ Akkordeon und das „hämmernde“ Klavier gegenseitig ergänzen. Das Stück wird gleichsam rußgeschwärzte, dampfbetriebene Klangverbindungen entwerfen, die wie von Zahnrädern und mechanischen Relais gesteuert durch eine intrikate maschinelle Konstruktion gehalten und bewegt werden.
Dies zieht sich bis in die kompositorischen Strukturen hinein: die Mechanik des Materials liegt über weite Strecken offen – einfache Modelle wie Skalen und Intervallschichtungen, deren Bauweise und Verarbeitung oft ganz augenscheinlich nachvollziehbar sind. Die Form besteht aus Einzelteilen, die sich die Ausführenden selbst zu ihrer Version des Stückes verbinden müssen. Dergestalt ist Steampunk eine Feier des Mechanischen, Zusammengenieteten, -geschraubten, der Kombination disparater Materialien und Formen zu einem Unikat, das sich der technischen und zumal der digitalen Reproduzierbarkeit und Fungibilität widersetzt: ein rumpelndes, stampfendes, quietschendes Plädoyer für das Handgemachte.