Obstructions-Serie
Angeregt durch die Beschäftigung mit Texten von Autoren der OuLiPo (Ouvroir de Littérature Potentielle/Werkstatt für potentielle Literatur), etwa Raymond Queneaus Stilübungen, aber auch durch Filme wie Lars von Triers The Five Obstructions, habe ich begonnen, eine Reihe von Kompositionen zu konzipieren, die – über die Regulative von purer Materialorganisation hinausgehend – jeweils einer oder mehreren strengen Vorgaben oder Einschränkungen folgen.
Das Ziel ist dabei – ähnlich wie die OuLiPo-Autoren die „Spracherweiterung durch formale Zwänge“ suchten – eine besondere Kreativität innerhalb dieser Einschränkungen und im Umgang mit den selbstgesetzten „Obstruktionen“ freizusetzen, und, daraus resultierend, gleichermaßen Strenge und Schlüssigkeit wie klangliche Intensität und Innenspannung zu erreichen.
Diese obstructions oder contraintes sind dabei jedoch nicht in erster Linie technisch-formaler Natur (wie es etwa bei leipogrammatischer Poesie oder streng serieller Komposition der Fall ist), sondern ergeben sich aus den Besonderheiten der gewählten Instrumentalbesetzung und dem für das jeweilige Stück angestrebten Klangcharakter. Entsprechend unterschiedlich fallen die Kompositionen der Reihe aus, und zumeist treten die gewählten Einschränkungen klanglich gar nicht besonders ostentativ in den Vordergrund.
In dull roots & spring rain für Flöte, Oboe und Fagott ist es die strikte Vermeidung melodischer Linien und virtuoser Gesten und die Reduktion der Harmonik auf einen einzigen Akkordtyp und seine möglichen – auch mikrointervallischen – Varianten, noch dazu unter Berücksichtigung eines vorab gewählten reduzierten Tonmaterials. Das Ergebnis ist ein konzentriertes, poetisches Kammermusikwerk, in dem die drei Bläser weitgehend zu einer Einheit verschmelzen und das auf einer gewissermaßen mikroskopischen Ebene einen großen Detailreichtum entfaltet.
Die für holzschnitt für 14 Streicher gewählte Strategie war, konsequent auf alle geräuschhaften Verfremdungen und extended techniques der Streichinstrumente zu verzichten, die in avancierter Musik inzwischen fast zum Standard geworden sind. Das Stück verwendet lediglich ordinario gestrichene und gezupfte Klänge (sowie einige Flageoletts). So wird der „normale“ Streicherklang in seiner Griffigkeit neu entdeckt; der monochrome Klang des Streichorchesters ermöglicht es, die Aufmerksamkeit auf Substanz und Strukturen zu konzentrieren.
In gewisser Weise ist auch before I sleep Teil der Reihe, wobei in diesem Fall die „obstructions“ durch die Musiker des Ensembles auferlegt wurden. Damit tritt zur Idee der selbstgewählten Beschränkungen ein Element der Heteronomie, was die Spannung des „Widerstands gegen die Regel“ (Oskar Pastior) noch verstärkt.
dull roots & spring rain für Flöte, Oboe und Fagott (oder Trio d’anches) (2008)
holzschnitt für Streichorchester (2008)
before I sleep für Ensemble (2013-14)